Corona und Klimawandel – wir sind eine weltweite Schicksalsgemeinschaft!
Von Landtagspräsident a.D. Alois Glück
Die Pandemie demonstriert uns täglich, wie sehr wir eine weltweite Schicksals-gemeinschaft geworden sind. Die Corona-Krise wird offensichtlich noch sehr lange unser Zusammenleben prägen. Die Politik der konsequenten Schutzmaßnahmen wurde von der Bevölkerung begrüßt und mitgetragen. Diese Maßnahmen waren offensichtlich wirksam – und deshalb können nun vorsichtig verschiedene Lockerungsmaßnahmen für unser Zusammenleben und vor allem auch für die weitere Entwicklung unserer Wirtschaft eingeleitet werden. So sehr bei allen Überlegungen möglichst rasch wirksame Maßnahmen im Vordergrund stehen, gleichzeitig zählen die Erfahrungen mit den Risiken der Globalisierung zu den wichtigen Themen notwendiger Kurskorrekturen.
Unsere bisherige Art zu wirtschaften und zu leben ist wesentlich geprägt von der weltweiten Arbeitsteilung und den Verflechtungen der Globalisierung. Es wäre falsch dies pauschal nur negativ zu bewerten. Für Milliarden Menschen in anderen Kontinenten hat die Globalisierung auch bessere Lebensbedingungen gebracht. Die weltweite Zusammenarbeit ist auch weiter nötig. Dringlich und gründlich zu überprüfen sind allerdings die Regeln und deren Auswirkungen. Der Rückzug in nationale Abschottung wäre sozial, ökologisch und ökonomisch ein Irrweg.
Die Pandemie prägt so sehr unser Zusammenleben, dass der Klimawandel und seine fatalen Folgen aus der aktuellen Tagesordnung verschwunden sind. Aber gleichzeitig ist dieser fatale Prozess mit ungebremster Dynamik im Gang. Und auch hier sind wir eine weltweite Schicksalsgemeinschaft! Wir haben nur diese eine Atmosphäre! Deshalb ist es so wichtig, bei den jetzt zu realisierenden Maßnahmen für die Förderung unserer Wirtschaft auch diese dringende Aufgabe bei den Zielsetzungen entsprechend zu integrieren.
Der Klimawandel und die Folgen – wir sind in einem dramatischen Wettlauf mit der Zeit!
Wir praktizieren ein Leben auf Kosten der Zukunftschancen der nachkommenden Generationen. Wir müssen der jungen Generation dankbar sein, dass sie diese Thematik so entschieden thematisiert und uns alle herausgefordert hat. Auch wenn wir manche Aktionsformen sehr kritisch sehen. Aber, die prägenden Akteure sind keine blinden Aktivisten und haben ihre fachlichen Aussagen, ihre Texte zur wissenschaftlichen Überprüfung vorgelegt.
Die Wissenschaftler der Institute für Klimaforschung in Potsdam berichten beispielsweise, dass sie ein ähnliches Interesse an fundierten wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Politik oder der Wirtschaft nicht kennen.
Bei der Bekämpfung der Pandemie orientieren wir uns, orientiert sich die Politik, an den Ergebnissen der Wissenschaften, der Virologen, der Experten aus den verschiedenen Fachgebieten der Medizin.
Beim Klimawandel und den damit verbundenen Folgen ignorieren wir weitestgehend die seit vielen Jahren bekannten und auch mit neueren Forschungen bestätigten Forschungsergebnisse der Naturwissenschaftler. Die Fakten und die Tendenzen der Entwicklung sind längst bekannt. Das waren die Grundlagen vieler internationaler Konferenzen.
Auf der Pariser Klimaschutzkonferenz im Dezember 2015 haben sich 195 Länder erstmals auf ein allgemeines, rechtsverbindliches weltweites Klimaschutz-Übereinkommen geeinigt. Die Staaten einigten sich auf das langfristige Ziel, den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2°C gegenüber vorindustriellen Werten zu begrenzen; das Ziel war, den Anstieg auf 1,5°C zu begrenzen, da dies die Risiken und Folgen des Klimawandels deutlich vermindern würde.
Mittlerweile gelten 1,5°C als Begrenzung als nicht mehr realisierbare Zielmarke. Ohne wesentliche Veränderungen nähern wir uns einer Erhöhung um eher 3°C und mehr! Das hängt vor allem damit zusammen, dass wir uns im globalen Maßstab immer noch in der größten Kohle-Renaissance der Industriegeschichte befinden. Aber auch in Deutschland sind Kohlekraftwerke nach wie vor ein wesentlicher Faktor unserer Energiewirtschaft.
Die G-20-Staaten sind zusammengenommen verantwortlich für 80 % aller Treibhausgas-Emissionen. Kein einziger dieser Staaten ist auf den Weg zum Maßstab 1,5 Grad-Ziele!
Nun werden wir wirksame Veränderungen bei uns und international nicht mit Appellen oder immer mehr Reglementierung erreichen. Die Klimaökonomen (z.B. Prof. Ottmar Edenhofer, Potsdam) sehen in einem international gesteuerten CO₂-Preis als marktwirtschaftliches Instrument die Schlüsselrolle. Nationale Alleingänge können die Aufgabe nicht lösen. Eine entsprechende Preisgestaltung sorgt im marktwirtschaftlichen Mechanismus dafür, dass die CO₂-freien Alternativen rentabel werden. Und eine solche Preisgestaltung bestraft gleichzeitig auch die Nutzung der
fossilen Energieträger entsprechend ihres Kohlenstoffgehaltes. Die Einnahmen aus einer entsprechenden Preisgestaltung bringen die notwendigen finanziellen Mittel, um beispielsweise sozial gerechte und regional faire Regelungen zu treffen.
Mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen und mit dem Pariser Klimaabkommen sind die Grundlagen für ein abgestimmtes internationales Handeln vorhanden. Der geplante Green Deal sollte der Fahrplan für ein wirksames gemeinsames europäisches Handeln sein.
Klimaneutral 2050 – die Politik in Deutschland hat dafür den richtigen Maßstab gesetzt.
Um dieses Ziel zu erreichen sind in sehr vielen Lebensbereichen entsprechende Konsequenzen notwendig. An diesem Ziel ist auch zu messen, ob die bisherigen Beschlüsse der Politik, etwa für den Bereich der Energieversorgung, z.B. Reduzierung der Kohlekraftwerke und weiterer Ausbau der regenerativen Energien, dafür ausreichen. (Jetzt rächt sich, dass die Politik die Empfehlungen der Ethikkommission Sichere Energieversorgung weitgehend ignoriert hat!)
Eine wirksame Klimapolitik braucht einen wirksamen Artenschutz.
Die Beratungen in Verbindung mit dem Volksbegehren in Bayern „Rettet die Bienen“, die Arbeitsergebnisse in den verschiedenen Fachbereichen dokumentieren diesen Zusammenhang und den dringenden Handlungsbedarf! Das Fundament eines stabilen Naturhaushaltes ist die Biodiversität, die Vielfalt in der Natur. Deshalb ist der Maßstab „dauerhaft naturverträglich“ für alle Lebensbereiche das notwendige Ziel. Ohne diese Konsequenzen ist auch eine erfolgreiche Klimapolitik nicht möglich.
Diese Gesamtschau ist der Kompass, um das Ziel Klimaneutral tatsächlich zu erreichen.
Die Reduzierung von CO₂ reicht für das Ziel Klimaneutral nicht aus. Jetzt müssen wir mit einer entsprechenden systematischen Politik alle Entwicklungen fördern, mit der die Speicherung, die Bindung von CO₂ wirksam möglich ist. Dies betrifft vor allem auch die Land- und Forstwirtschaft. Welche Maßnahmen, welche Kurskorrekturen in der Agrarpolitik sind geeignet, um die Speicherfähigkeit von Humus, die Bewirtschaftung der Wälder, die Bedeutung der Moore und Feuchtgebiete zu fördern. Welche weiteren Maßnahmen sind geeignet, diese Potenziale zu fördern? Solche Umweltleistungen der Land- und Forstwirtschaft sind dann auch entsprechend zu honorieren.
Wir brauchen neue Leitbilder für den Fortschritt!
Für uns alle gilt: Weiter so, immer höher, immer schneller, immer weiter bedeutet mit immer höherer Geschwindigkeit an das Ende der Sackgasse. Die Alternative heißt auch nicht nur langsamer, oder gar zurück in die Vergangenheit. Wir sind in einem geradezu dramatischen Wettlauf mit der Zeit! Wir müssen Ressourcen im Zeitalter der Digitalisierung mit modernster Technik intelligenter nutzen.
Wissen allein reicht nicht aus!
Ohne die Motivation durch eine starke entsprechende ethische Verantwortung gegenüber den Nachkommen und den Menschen in anderen Regionen dieser Erde hatten wir nicht die Kraft, diese anstrengenden Veränderungen zu gestalten.
Alle Religionen und Kulturen kennen den Maßstab Nachhaltigkeit. Also so wirtschaften und leben, dass auch die Nachkommen gute Lebensgrundlagen haben. Das ist im Zeitalter der Globalisierung ein wichtiges Fundament! „Nachhaltigkeit“ als Maßstab ist daher kein Versuch der Fremdbestimmung „des Westens“ gegenüber anderen Kulturen.
Bild: Alois Glück kann auf eine lange politische Karriere zurückblicken u.a. als Staatsekretär für Landesentwicklung und Umwelt, Vorsitzender der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag und Präsident des Bayerischen Landtages von 2003 bis 2008.
Vielen gilt er als Vordenker der Partei. Zuletzt moderierte er den „Runden Tisch für mehr Arten- und Naturschutz“.
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